
Jäger und Gejagte
Ab sofort gab es wieder geführte Game Drives mit unserem Guide Warrick und Spurensucher Joseiah. Wir waren sehr gespannt, was uns in den nächsten Tagen erwarten würde und natürlich hofften wir immer noch darauf, endlich einmal die großen Grauen – die Elefanten ausgiebig beobachten zu können, was uns bislang verwehrt geblieben war. Wir fuhren also los, machten aber schon nach kurzem Halt, denn eine Südbüscheleule (Ptilopsis granti) war gesichtet worden. Es war wieder erstaunlich, wie wahnsinnig gut getarnt diese Tiere sind. Ohne nähere Kenntnisse ist eine Eulensichtung reine Glückssache. Insofern war ich – auch wenn fotografisch hier aufgrund der Ast- und Lichtsituation nicht viel zu holen war – bereits sehr zufrieden.
Das nächste Highlight kam kurz darauf: Ein Breitmaulnashorn mit einem wirklich noch sehr kleinen Baby. Das Kleine war gerade in Spielstimmung und hüpfte und sprang die ganze Zeit herum. Wir beobachten Mama und Kind, bis beide in den Büschen verschwanden.
Und dann ein Funkspruch, dass die drei Gepardenbrüder, die es hier gab, gesichtet worden sind. Also Gas geben und ab ging es zur offenen Savanne. Nur leider war da auf einmal der Elefantenbulle,
den wir selbstverständlich nicht links liegen lassen konnten. In einer schönen Grassavanne stand er – wie für uns bestellt. Endlich ein Elefant! Unser Grinsen wurde minütlich breiter. Das Problem
war nur, dass wir ja wussten, dass in der Nähe noch die drei Geparden umherstreunten. Das Licht wurde minütlich schlechter und so entschlossen wir uns mit leiser Wehmut, den Elefantenbullen
Elefant sein zu lassen und uns den Raubkatzen zu widmen.
Wir konnten es kaum glauben, als wir sie dann wirklich sahen. Da waren sie. Drei Gepardenmännchen, die grundsätzlich gemeinsam unterwegs waren und auch gemeinsam jagten, streiften im hohen Gras ganz nah an uns vorbei. Und plötzlich passierte es. Die drei gaben von einer Sekunde zur anderen Full Speed. Uns stockte der Atem: Sie hatten ein Warzenschwein aufgescheucht! Das Schwein hatte allerdings großes Glück, raste mit hoher Geschwindigkeit vorbei und konnte unverletzt in einem Bau im Boden verschwinden. Ehrlich gesagt war ich irgendwie ganz dankbar darüber, dass ich das Ende des Tieres nicht hautnah miterleben musste. In dieser Hinsicht bin ich einfach ein Mimöschen.
Die drei Geparden mussten sich nach dem heftigen Spurt erst einmal ausruhen. Geparden gelten als schnellste Landsäugetiere, können die hohe Geschwindigkeit aber nur über kurze Zeit halten. Für
uns besonders interessant: Normalerweise greifen Geparde keine ausgewachsenen Warzenschweine an, da diese viel zu wehrhaft sind. Wahrscheinlich trauten sich das die Brüder nur, weil sie gemeinsam
unterwegs waren. Unser Guide selbst hatte noch nie gesehen, dass die Geparde ein Warzenschwein jagten oder erlegten. Einige Zeit konnten wir die Tiere im abnehmenden Licht noch beobachten, dann
irgendwann ein neuer Funkspruch: Ein Leopard war gesichtet worden. Wir konnten unser Glück kaum fassen!
Am Wegesrand entdeckten wir zudem eine Ginsterkatze, die offensichtlich geschlafen hatte. Für Fotos war es schon viel zu dunkel, aber es war einfach nicht zu glauben, was für einen Dusel wir
hatten. Die Ginsterkatzen hatten wir bisher auch nur in weiter Entfernung als huschendes Etwas sehen dürfen. Noch nie konnten wir in eine in nächster Nähe sehen. Und diese saß direkt am
Straßenrand. Wir befanden uns völlig im Adrenalinrausch. Nach kurzer Zeit verschwand die Katze im Gebüsch und wir fuhren weiter. Und da war er: Der Leopard. Für mich das eindrucksvollste und
eleganteste Tier Afrikas überhaupt. Ich kann gar nicht beschreiben, was es bedeutet, solch ein Tier in natürlicher Umgebung beobachten zu können. Der Leopard ist von einer solchen Schönheit und
kraftvollen Ausstrahlung wie kaum ein anderes Tier. Wir konnten ihm ein wenig folgen, bis er irgendwann in dichtem Buschwerk verschwand. Mittlerweile war es komplett dunkel geworden und wir
fuhren – völlig begeistert und berauscht von dieser Highlightserie zur Lodge zurück und genossen den weiteren Abend mit Gesprächen über das Erlebte.

Der nächste Morgen
DRRIIIING, der Wecker klingelte wie üblich um 5.30 Uhr (es ist immer noch lustig, dass wir so etwas als „Urlaub“ bezeichnen). Es war bereits extrem heiß und selbst ein T-Shirt war eigentlich schon zu viel des Guten. Aber mit dem Fahrtwind zusammen ließ es sich zumindest halbwegs ertragen. Eine unserer Mitfahrerinnen – Ruth – wollte unbedingt Giraffen sehen. „Giraffen?“ fragte Warrick mit hochgezogenen Brauen. „Ja, bislang habe ich hier noch keine Giraffen gesehen“ Oookay? Ruth wollte also statt Elefanten (ja, gab es gestern schon), Geparden (ja, gab es gestern auch schon), Leoparden (ja, ja, stimmt, gab es ja auch erst gestern), am liebsten Giraffen sehen. Gebongt. Wir schrieben es uns gedanklich auf die Liste.
Zunächst ging es aber ans Wasserloch und da trafen wir...nein, nicht auf Giraffen. Wir trafen auf das gesamte Löwenrudel. Da lagen sie alle. Die ganze Großfamilie lag faul in der frühen Morgensonne und rührte keine Pfote. Wir fotografierten und sahen uns die Meute ausgiebig an und so langsam regten sich die ersten Tiere. Eine Löwin fing an sich zu putzen, das große Männchen gähnte ausgiebig, dann stand die erste Löwin auf und ging zum Wasser. Mitten auf dem Weg zum Wasserloch lag ein riesiger alter Büffel – lebendig. Dem schien alles egal zu sein. Die Löwen schauten zwar alle sehr interessiert – vor allem die Junglöwen, aber sie wussten, sie hätten keine Chance gegen dieses kräftige, riesige und erfahrene Tier. Dementsprechend würdigte der Büffel die Löwen keines einzigen Blickes.
Am Wasser lag noch eines der kleinsten Löwenjungen, das selbstbewusst mit lautem Fauchen und Knurren den anderen bewies, was es schon für ein großer Kerl ist. Kaum war der Papa angekommen, ging
es rund. Der Kleine sprang von hinten auf den Nacken, biss in selbigen und drangsalierte den Papa, bis der mit seiner Löwenpranke für Ruhe sorgte. Es war einfach drollig, den Tieren zuzusehen.
Wir nahmen uns viel Zeit, blieben lange dort stehen, fotografierten und hörten Warricks interessanten Erklärungen zu. Gemächlich fuhren wir anschließend an eine übersichtliche Stelle im
Busch und nahmen dort die erste Tasse Kaffee ein. Und was war mit Giraffen? Die hatten wir immer noch nicht gesehen.

Wir stiegen wieder ein und fuhren los. Und jetzt endlich. Da waren sie: Giraffen! Eine weibliche Giraffe mit einem winzigen kleinen Giraffenjungen, das höchstens 2-3 Tage alt war. Auch für uns, die wir mittlerweile schon wirklich viele Giraffen in den vorherigen Nationalparks gesehen hatten, etwas Besonderes.
Wir fuhren zur Lodge zurück am Grenzzaun entlang und auf einmal standen dort wieder etliche Giraffen. Dicht gedrängt am Zaun starrten sie in unsere Richtung. „Komisch“, dachten wir. Und dann erklärte Warrick, dass die Nachbarlodge leider eine Huntingfarm sei, in der die Tiere gegen Geld von reichen Ausländern abgeknallt würden. In solchen Fällen fängt es bei mir innerlich an zu kochen. Da stehen sie die Tiere und wissen ganz genau, dass die andere Seite ihre Sicherheit bedeutet. Sie sind zu groß, um sich zu verstecken. Sie haben keine Chance gegen das schlimmste Raubtier dieser Erde – den Menschen. Was bringt es jemandem, ein solch schönes Tier umzubringen – für rein gar nichts? Am liebsten würde ich hingehen und ein großes Loch in den Zaun schneiden – wohl wissend, dass es nichts bringen würde. Das einzige, was mich ein wenig beruhigt, ist die Aussage von Warrick, dass sie mit dem Inhaber der Lodge bereits in Verhandlungen stehen, um das Land zu übernehmen und dem Jagen ein Ende zu bereiten. Wenigstens dieses eine Stück Land. Auch wenn es noch unzählige Jagdfarmen in Südafrika gibt, bin ich froh, dies zu hören. „Haltet aus, ihr Giraffen“, denke ich mir. Noch ein bisschen und ihr seid hoffentlich bald in Sicherheit. Ein Tier töten eines Adrenalin-Kicks wegen? Geht gar nicht!
Es machte uns wütend - auf eine hilflose Art und Weise. Nachdenklich ging es zurück zur Lodge.
Nach einem viel zu opulentem Frühstück (schon mal French Toast, Pfannkuchen und Bircher Müsli hintereinander gegessen? Wenn ja, dann wisst ihr, wovon ich rede), blieb nur Ausruhen und Verdauen. Zudem war es wieder sehr heiß und jede Bewegung schien zu viel zu sein. So konnte man relaxed auf der Terrasse sitzen und gemütlich ein Buch zur Hand nehmen. Darf ja auch mal sein im Urlaub.
Nachmittags starteten wir wieder pünktlich zum Game Drive. Auf einer weiten Ebene erblickten wir ein Spitzmaulnashorn. Zudem gab es ein großes Stelldichein von Schwalben und verschiedenen Storcharten rund um das Nashorn. Kurz vor Sonnenuntergang trafen wir dann auch noch auf eine große Elefantenherde. Da das Licht nicht besonders gut war, ahnten wir sie mehr als wir sie noch sahen. An Fotografieren war gar nicht mehr zu denken. Aber egal: Wir beobachteten die dunklen Schemen ehrfürchtig, bis sie in der fernen Ebene verschwanden.
The same procedure...
Wecker klingeln, ein Augenlied halb hochheben, auf die Uhr linsen, kurz überlegen, warum man im Stockdunklen aufstehen soll, sich mit knackenden Gelenken (man ist ja keine 20 mehr) erheben, unter die Dusche stapfen, Wasser aufdrehen. Ok, das Schlimmste hatte ich hinter mir!
Mit dem lauwarmen Wasser erwacht langsam die Vorfreude. Die Vorfreude auf einen weiteren Tag in Südafrika! Ich bin doch ganz schön privilegiert, hier sein zu dürfen, denke ich mir und verscheuche damit die letzte Müdigkeit.
Unser morgendlicher Game Drive setzte dem Erlebten noch einmal ein i-Tüpfelchen auf. Denn wir durften eine Gepardin mit ihren vier Jungen beobachten. Sie hatten sich zum Ausruhen in den Dornenbusch zurück gezogen. Die Gepardin beobachtete aufmerksam und stetig die Umgebung. Ihre vier Jungen waren eine große Verantwortung für sie. Würden sie auf Löwen oder andere Raubtiere treffen, war ihr Nachwuchs in Lebensgefahr. Denn oftmals töten Löwen, Hyänen und andere Raubtiere den Nachwuchs ihrer Fressfeinde.
Wir ließen die Gepardin in Ruhe und fuhren erneut zum Wasserloch. Keine wirkliche Überraschung, dass sich dort wieder (oder immernoch) das Löwenrudel tummelte. Wie immer taten sie... nichts.
Hinter uns entdeckte ich einen Malachiteisvogel (Corythornis cristata), der sich durch unsere Anwesenheit nicht im geringsten stören ließ. Ein winziges Stückchen näher, noch ein kleines
Stückchen, der Vogel tolerierte die langsame Annäherung des Autos. Während alle auf der anderen Seite die schlafenden Löwen beobachteten, freute ich mich irrsinnig über diesen tiefenentspannten
Vogel. Ein tolles Erlebnis!
So langsam wurde es Zeit aufzubrechen und zu unserer nächsten Station zu fahren: In den iSimangaliso-Wetland-Park. In die Feuchtgebiete mit Flusspferden, Krokodilen und natürlich sehr vielen Vögeln. Wir waren sehr gespannt!