
Auf nach Ithala
Es waren insgesamt etwas mehr als 300 km zu fahren und wir verfrachteten unser Gepäck nach dem Frühstück ins Auto. Kurze Zeit ließ ich die Autotür offen stehen – da gab es schon eine neue Mitfahrerin. Eine grüne Gottesanbeterin hatte es sich auf dem Rücksitz bequem gemacht. Ich war total verblüfft, denn ich wusste bis dato gar nicht, dass es hier Gottesanbeterinnen gibt. In meinen bisherigen Urlauben im südlichen Afrika hatte ich bislang keine gesehen, was aber wohl daran lag, dass ich zu anderen Jahreszeiten da war.
Fasziniert beobachtete ich das kleine räuberische Insekt, während es aus dem Auto bugsiert wurde und ich überlegte, ob ich die Geduld meiner Mitreisenden noch etwas auf die Probe stellen sollte, um das Fotoequipment heraus zu holen. Allerdings war alles bereits fest verstaut und abreisebereit und so beließ ich es schließlich dabei. Ich hoffte stark, dass das nicht die einzige Begegnung mit einem dieser interessanten Insekten bleiben würde.
Wir fuhren durch kleinere und größere, mal mehr mal weniger ärmlich aussehende Orte – vorbei an vielen Rinderfarmen und landschaftlich bebauten Flächen. Insgesamt gab es wesentlich häufiger
Häuser und Hütten zu sehen, die mit Strom versorgt waren, als ich während meiner letzten Reisen sah. Was auch erstaunlich war, ist die Qualität der Infrastruktur. Offenbar sind alle größeren
Straßen und Autobahnen vor der WM 2010 generalüberholt worden. Die Straßen sind in einem Zustand, von welchem man in Deutschland nur träumen kann. Natürlich ist nicht jede klitzekleine Straße in
Top-Qualität, aber auf den Autobahnen und großen Verbindungsstrecken fährt es sich reibungslos! Auf den Schotterpisten braucht man dafür aber umso mehr Zeit und oft waren wir froh, dass wir nicht
wie viele andere Touristen nur mit einem Polo oder einem ähnlichen Kleinwagen unterwegs waren. Zudem sollte man überall stark aufpassen, damit einem weder Ziegen noch Rinder oder Affen vors Auto
laufen. Oft gibt es keine Zäune und die Tiere grasen direkt neben der Straße - egal, ob kleine Gasse oder Autobahn.
Mit einer kleinen Pause brauchten wir von den Drakensbergen 4 ½ Stunden, um ins Ithala Game Reserve im nördlichen Zululand zu kommen. In unserem Camp namens Ntshondwe, das mitten im Park liegt, erhielten wir wieder ein ähnliches Chalet wie in den Drakensbergen mit zwei Schlafzimmern, einem großen Wohnraum inklusive Wohnküche und einer großen überdachten Terrasse. Der Bungalow war diesmal in einer Art Wald untergebracht – die Vögel tirilierten rundherum und die schattige Terrasse lud zum Verweilen ein. Denn war es in den Drakensbergen zwar warm, aber angenehm gewesen, empfing uns hier eine sengende und feuchte Hitze – irgendwas zwischen 30 und 35 Grad.
Im Curio Shop im Camp versorgten wir uns vor allem mit Getränken, da die Auswahl an Essbarem nicht besonders groß war. Zum Glück hatten wir noch einiges mitgebracht und bekämpften den aufkommenden Hunger erst einmal mit Chips und Cracker.
Gegen 15 Uhr ging es auf zu unserem ersten Game Drive. So nennt man in Afrika die Fahrten, die man entweder mit eigenem Auto oder mit einem Ranger durch die Reservate macht. In Ithala wollten wir
selbst fahren. So konnten wir unser Tempo selbst bestimmen und uns so viel Zeit bei den Tieren lassen, wie wir wollten. Und an Tierwelt gab es einiges zu sehen. Bis auf Löwen sollte es so gut wie
alle Tiere geben, die in diesem Teil Südafrikas heimisch sind. Gespannt fuhren wir unseren ersten Loop (Rundweg) auf einer Schotterpiste.

Die Straße wurde sehr eng und es ging die Hügel steil hoch und runter. Rechts davon war der Abgrund und links von uns ging es direkt den Berg hoch. Zum Glück war sehr wenig Betrieb im Park, denn wir konnten uns gerade nicht vorstellen, wie wir ein entgegenkommendes Auto vorbei lassen sollten. Platz war definitiv keiner da. Wir fuhren also gemütlich, sahen schon die ein oder andere Antilope, bemerkten irgendwann ein Schild „Caution elephants“ und fuhren weiter. Lange mussten wir nicht auf die Elefanten warten. Sie standen hinter einem steilen Berghang direkt auf der Straße (Wo auch sonst? Elefanten nutzen natürlich auch die einfachsten Wege und das sind nunmal die dortigen Straßen). Flapp, flapp - die Ohren wurden aufgestellt und das große graue Tier vor uns zeigte etliche Zeichen von Nervosität. Nachdem meine Schwester und ihr Mann vor einiger Zeit bereits einmal ein nicht besonders lustiges Erlebnis mit den grauen Riesen hatten, wollten wir uns definitiv nicht mit den Tieren anlegen. Auch ein SUV ist gegen einen Elefanten deutlich im Nachteil.
„Thomas, Du fährst!“, beschloss meine Schwester, nachdem sie die Situation erfasste und wand sich schnell aus dem Fahrersitz heraus auf den Rücksitz. Ich konnte sie gut verstehen, denn es gab keinerlei Ausweichmöglichkeit und wenn wir Gas geben mussten, ging es hinter uns nur die enge Straße steil hinab. Wir konnten nur zurück und was war, wenn jetzt auch noch Elefanten von hinten kämen?
Thomas fuhr rückwärts, um zu prüfen, ob sich die Elefanten etwas entspannen würden. Dies schien zunächst auch der Fall. Also wieder ein Stück vorwärts, nur um festzustellen, dass sie uns jetzt
noch weniger an sich herankommen ließen. Wir wollten nichts riskieren und entschieden, den Weg zurück zu nehmen. Denn bis die Herde vorne den Weg freimachte, konnte es dauern. Und eingekesselt
werden wollten wir auch nicht. Wir fuhren also so lange rückwärts, bis wir einen Platz fanden, an dem wir das Auto mit einiger Mühe drehen konnten. Etwas erleichtert, der angespannten Situation
entkommen zu sein, nahmen wir einen anderen Loop. Die restliche Fahrt war ein gemütliches Sichten aller möglichen afrikanischen Tiere, bis wir kurz vor Sonnenuntergang um 18 Uhr zurück ins Camp
mussten. Ans Fotografieren habe ich in der Elefanten-Situation tatsächlich einmal nur sekundär gedacht. Aber Elefanten würden wir schließlich bestimmt noch einige sehen. Dachten wir...
Der nächste Tag fing wieder früh an, schließlich wollten wir um Punkt 6 Uhr, wenn das Gate geöffnet wird, direkt abfahrtbereit sein. Der Loop, den wir fuhren, war wieder sehr bergig, aber nicht ganz so schmal wie der gestrige. Das Wetter war gemischt – die Wolken hingen tief in den Bergen – es erinnerte ein wenig an Regenwald, aber es regnete nicht. Wir sahen viel frischen Elefantendung, aber die großen Tiere ließen sich nicht blicken. Nach ein paar Stunden ging es zurück zum Camp.
Nach dem Frühstück wollten wir uns ein bisschen bewegen und machten uns auf zum Klippspringer-Rundweg. Plötzlich blickte uns etwas von rechts an: Ich sah genauer hin. Es ist… der kleine Vampir! (Kennt den eigentlich noch jemand außer mir?)
Nein, es ist ein Dassie. Bei Betrachtung der Zähne denke ich wahlweise an Vampir oder an die sadistisch veranlagte Kieferorthopädin, bei der ich im Alter zwischen 12 und 16 Jahren mindestens alle vier Wochen viel Zeit verbracht habe.
Das Dassie heißt auf Deutsch auch Klippschliefer. Scheinbar sind sie – auch wenn das nicht auf Anhieb erkennbar ist – mit den Elefanten und Seekühen verwandt. Es hat die Größe eines Kaninchens
und sieht auch ein bisschen so aus wie etwas zwischen Kaninchen und Ratte. Mir gefällt es J

Tja und dann trafen wir auch noch auf eine Gottesanbeterin. Ich war auf Wolke 7 und es war herrlich, das Tier zu beobachten, wobei ich mich von ihr ähnlich beobachtet fühlte.
Danach stellten wir fest, dass der Wanderweg eventuell deshalb Klippspringer hieß, weil man wahrscheinlich am besten selbst wie ein Klippspringer am Rand eines Abgrunds über Felsen hüpfen können sollte, um den Weg bewältigen zu können. Vanessa rutschte auf einmal ab, holte sich glücklicherweise aber „nur“ eine Schürfwunde. Richtig Spaß machte das trotzdem nicht bei bereits wieder über 30 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit. Wir beschlossen deshalb, abzubrechen und erholten uns später nach einer eiskalten Dusche auf unserer Terrasse.
Gegen 15 Uhr machten wir uns wieder auf die Socken und sahen die üblichen Antilopen, jede Menge Giraffen und Vögel. Später wurde es gewittrig und wir genossen die Szenerie in vollen Zügen. Zurück im Bungalow fing es heftig an zu schütten und zu hageln. Ja, auch bei 30 Grad kann es hageln, wenn vom Hagel auch nicht lange was übrig bleibt. Drinnen stellten wir dann Kartoffeln auf, draußen krachte und schüttete es und irgendwann fiel der Strom aus. Super – vor allem für die Kartoffeln ;-) Am Ende wurde es ein Mittelding aus Grillen und Kochen und vor allem: Ein interessanter Abend! Und wir wissen jetzt: Auch bei Regen kann man einen (trockenen!) Stapel Holz anfeuern! Man kann ja nie wissen, wann man so etwas mal wieder gebrauchen kann :-)